Heute schon bevormundet worden?

Bislang dachte ich immer, Brandschutz sei eine der ältesten Bürgerpflichten überhaupt, der jahrhundertelang freiwillig und von den Bürgern in Alleinregie organisiert und durchge-führt wird. Eine, wie ich erst jetzt mitbekam, wohl etwas naive Sichtweise angesichts unserer regulierungs- und verordnungswütigen Politik.

Denn sogar hier ist alles bis ins kleinste geregelt – in den Brand- und Katastrophenschutzgesetzen der Bundesländer. Und darin steht sogar, wann ein freiwilliger (!) Feuerwehrmann bzw. -frau aus dem Einsatzdienst ausscheiden MUSS. Es wird nicht danach gefragt, ob der Betreffende vielleicht noch fit ist. Nein, der Staat  räumt den Beteiligten nicht genügend Realitätssinn und Intelligenz ein, darüber selber zu entscheiden: Alles, alles muß hier verrechtlicht werden.

Da wollen Feuerwehrleute über ihr 60. Lebensjahr hinaus Einsatzdienst machen – sie dürfen es nicht. Sie verlieren Gerichtsurteile. Ich gehe davon aus, daß sie nicht geklagt hätten, wenn sie nicht ihre Kameraden auf ihrer Seite wüßten, die den  Betreffenden für fit genug halten (schließlich gibt es ja dort auch Übungen, um genau das festzustellen).

Soviel Realitätssinn scheint die Politik nicht zu interessieren. Interessant wird es nun, wenn es plötzlich zu wenig Feuerwehrleute gibt – die Gesellschaft generell altert ja -, und die gesamte Einsatzbereitschaft einer freiwilligen Ortswehr gefährdet ist – u.a. auch durch solche Bestimmungen. Was tun? Klar: Das Gesetz (schon wieder eine Verrechtlichung, als ob  Bürger kein Interesse an Brandschutz hätten) erlaubt das ZWANGSWEISE Heranziehen von Bürgern zur Feuerwehr. Das ist dann nicht mehr so ganz freiwillig, entsprechend hat die Politik dann auch kalte Füße (soviel zum Thema „Populismus“) – und dann passiert etwas interessantes: Dann geht nämlich, was vorher nicht denkbar war: Die Einsatzzeit wird verlängert.

In Hessen ist just genau dies aus just genau dem Grund schon vor einigen Jahren passiert – hier der betreffende Paragraph, hier die Vorgeschichte aus Sicht einer örtlichen Feuerwehr -, und man fragt sich, wie die Politik eigentlich mit dem Verbot der Altersdiskriminierung umgeht.

Wir erinnern uns: Da gibt es ein Gleichstellungsgesetz, wonach Alter kein Negativ-Kriterium sein dürfe. Darin heißt es: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“

Der Staat hält sich an seine eigenen Gesetze? Das ist die Frage. Feuerwehrleute fliegen mit 60 aus dem Einsatzdienst – in Hessen mit maximal 62 Jahren (s.o.) – und interessant ist Fall eines Beamten, für dessen Tätigkeit eine Grenze von 42 (!) Jahren gilt: Der Mann war Polizeibeamter in einem SEK, wollte aber dort länger arbeiten, was ein Gericht ihm verwehrte. Interessant die Begründung: Die Einsatzbereitschaft habe gewährleistet zu sein. Und die sei nunmal mit älteren Leuten gefährdet. Das ist in der Privatwirtschaft nicht so, nein? So verwundert schon lange nicht mehr, warum Bewerber keine Ablehnungsgründe von Unternehmern mehr erfahren. Arbeitgeber-Selbstschutz. Kann man es Arbeitgebern  verdenken? Ich meine, nein. Denn auf eine derart verständnsivolle Justiz  darf der Staat als Arbeitgeber, nicht aber der Privatunternehmer hoffen.

Befremdend auch dieses Urteil:  Eine Behörde schreibt eine Stelle mit einem Mindesteintrittsalter aus. Es geht eine Bewerbung ein, in der das Mindestalter erfüllt wird. ABGELEHNT wird der Bewerber mit dem Hinweis – auf sein Alter: Die Grenze hätte er schon in einem Jahr überschritten. Der Kläger argumentiert: Anderswo liege die Grenze nicht bei 27, sondern bei 32. Gegenargument der Behörde: Es herrschten besondere Verhältnisse, da man behördenintern das Personal verjüngen müsse. (So müßte mal ein privater Arbeitgeber argumentieren.) Aber da Schönste: Das zuständige Gericht schloß sich der Behörde  an. Mit der Begründung, der Bewerber käme ja aus anderen Gründen nicht in Frage (die die Beklagte freilich nicht erwähnt hatte).

Mit derartigen Bocksprüngen und Winkelzügen hilft die Justiz also (Treuepflicht!) den Staat vor den Folgen seiner eigenen Gesetz zu bewahren, die dieser der Gesamtgesellschaft verordnet.

Gerade mal 600 Klagen wegen Verletzung des AGG gab es bis 2011 – eine Klageflut sieht anders aus. Mir sagt das: Die Leute spüren, daß solche Gesetze sinnlos sind – sie lassen es einfach, sich ihr Recht zu holen. Zumal, wenn der Arbeitgeber der Staat ist.

Tätigkeit – auch ehrenamtliche – ist grundsätzlich eine Frage der vertraglichen Absprache oder Vereinbarung. Und grundsätzlich haben wir (immer noch) das Prinzip der Vertragsfreiheit. Das dahinter stehende Menschenbild ist eines von eigenverantwortlich handelnden Leuten, die unter sich eine Absprache treffen. Dieses Prinzip der Eigenverantwortlichkeit wird hier schon lange verletzt durch die zunehmende und unerträglich werdende Verrechtlichung und Drangsalierung aller möglichen Lebens-bereiche.

Warum traut der Staat einer örtlichen Feuerwehr nicht so viel Verantwortungsbewußtsein zu, selber zu sehen und zu entscheiden, ob jemand für den Einsatzdienst geeignet ist oder nicht?  Bei der AUFNAHME traut der Staat es den Wehren ja auch zu, warum nicht auch beim AUSSCHEIDEN? Klar, bei der Aufnahme kann der Staat (hier: die Gemeinde) die Tauglichkeit nur feststellen durch einen Gesundheitstest, der wiederum Geld kostet. Diesen Kostenfaktor will man offenbar vermeiden, daher braucht es solche Tests zumindest in Hessen nur auf ANFORDERUNG, und die Wehren gelten daher hier auf einmal als erwachsen genug.  Aber es kann nicht sein, daß Geld ein Prinzip menschlichen Miteinanders korrumpiert: Entweder der Staat traut den Wehren Urteilsvermögen zu, dann braucht es kein Gesetz über Altersbegrenzungen – oder er traut es ihnen NICHT zu, dann sind Gesundheitstests von der Logik her obligatorisch.

So aber werden Prinzipien menschlichen Miteinanders willkürlich außer Kraft gesetzt und auch korrumpiert – wie es eben paßt. Nicht uns, sondern der von uns ernährten Obrigkeit, die in einer Demokratie eigentlich Dienstleister ist. Kein Wunder, daß Nichtwähler häufig die größte Partei sind.

Vielleicht sollte die Bevölkerung den Spieß umdrehen und Eignungstests für Bundestags- und Landtagsabgeordnete  obligatorisch machen. Und Altersbegrenzungen. Ich gehe jede Wette ein, daß der drangsalierende Paragraphenmüll dann ganz schnell dort landen würde, wo er von Anfang an hingehörte: auf dem Müllhaufen der Geschichte.

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